In der Ferne

Ein halbes Jahr in Indien. Hier schreiben wir unsere Erlebnisse nieder. Fuer Euch umsonst, natuerlich.

Samstag, Juli 30, 2005

Glückssträhne gerissen


Eine ganze Woche lang hat es gedauert, jetzt hat es einen von uns das erste mal erwischt. Maren hatte heute morgen Besuch von Gevatter Durchfall. Nachdem es ihr den Tag über im MIC wieder gut ging, wurde ihr beim TV-Practice vorankündigungslos schwarz vor Augen, worauf sie sich in der Library hinlegen musste. Der Frage der ihr gegenübersitzenden Frau, wie ihr Manipal denn gefalle, konnte sie nur ein geröcheltes „I have problems with my stomach“ entgegnen, worauf die Frau irritiert und etwas böse geblickt haben soll.
Die nette Dalha aus dem Master-Kurs war dagegen sehr viel hilfsbereiter und bot an, mit uns ins Krankenhaus zu fahren, worin Maren vorsichtshalber einwilligte. Angesichts ihres kalkweißen Gesichts wohl auch besser! Das KMC-Krankenhaus, vom Manipal-Godfather Dr. M.T.A Pai himself gegründet, machte einen ganz guten Eindruck – Maren wurde gleich auf eine Liege gebeten und von zahlreichen Ärzten und Krankenschwestern umringt. Derweil folgte ich Dalha durch die unübersichtliche Korridore, um ein Formular auszufüllen. Am ersten Schalter wurde mir zum ersten Mal so richtig deutlich, dass Indien eine Klassengesellschaft ist: Auf einer Preistafel wurden die Tarife für ein Krankenbett genannt. Von Standard (50 Rupien die Nacht) gab es über Normal, Normal 2-Bed-Room, Super, Super 2-Bed bis hin zu Super Deluxe with AC (950 Rupien die Nacht) für jede Kaste und jeden Geldbeutel etwas. Fast so schlimm wie die Bevorzugung von Privatpatienten in Deutschland.
Von Dalha wurde ich aus den Gedanken gerissen; wir mussten zu einem anderen Schalter, wo ich dann ein Formular mit Marens Daten, unter anderem auch dem Namen ihres Vaters, hier bei allen Formularen obligat, ausfüllen musste. Ihre Adresse hatte ich zwar nicht im Kopf, aber Dalha meinte dazu nur: „Just fill in anything. It doesn´t matter.“ Also gab ich die Adresse meiner Eltern an. 50 Rupien später war Maren dann für künftiges „Medical Treatment“ von Zahlungen befreit (mit einer Student-ID-Card, die wir noch nicht bekommen haben, ist man das übrigens auch).
Zurück bei Maren, der gerade der Puls gemessen wurde, erfuhren wir dann, dass es nicht unbedingt etwas besonderes ist, das man Durchfall bekommt. Tatsächlich, so der Doktor, passiert das hier JEDEM irgendwann, auch den Indern selbst. Maren gings trotz oder vielleicht auch angesichts dieser Erkenntnis wieder besser, so dass wir das Krankenhaus verlassen konnten. Bevor sich Dalha auf ihr Motorrad schwang (so etwas besitzen hier gefühlte 4 von 5 Studenten), gab sie noch ein paar Tipps, um zukünftige Diarrö zu vermeiden: Keine offenen Fruchtsäfte, dafür welche der Marke „real“ im Supermarkt kaufen, kein Salat und besser nicht bei „Anams“ neben dem MIC essen. Dass haben uns vorher auch schon die Lehrer gesagt, aber da soviele Studenten dort zum Lunch waren, haben wirs die letzten drei Tage fröhlich ignoriert. Obs wirklich an dem Essen da lag, sei dahingestellt, aber weil Durchfall auch psychosomatische Gründe haben kann, werden wir diese Lokalität in Zukunft meiden – und uns ansonsten über jeden Tag freuen, an dem der Darm noch nicht zwickt!
P.S.: Die meisten Inder hatten große Probleme, Marens Namen auf Anhieb korrekt auszusprechen und brachten stattdessen so etwas wie „Magen“ hervor. Moderatoren zweilichtiger Mystery-Shows würden an dieser Stelle fragen: Waren Marens Probleme mit dem Verdauungstrakt nun Zufall? Oder hatte die indische Mystik ihren Körper auf geheimnisvolle Weise geschwächt? Die Antwort wird wohl für immer im Dunkeln bleiben...

Robin

Nachtrag: Ich esse in der oben genannten Lokalitaet jeden Tag und mich hat es bisher nicht gerissen. Es ist ein netter Laden, billiger Kaffee und zum Fruehstueck wenigstens Toast. Also, wenn jeder hier irgendwann Duennpfiff bekommen sollte, so will ich doch nicht meine Stammbar aufgeben, in der es sich so nett mit den indischen Kommolitonen reden laesst.

Henning

Freitag, Juli 29, 2005

Tausend Worte

... ja, wie heisst es doch so schoen: Bilder sagen mehr als tausend Worte und deshalb, auch auf viellfachen Wunsch, stelle ich nun mal ein paar Bilder rein.
Zunaechst aber: Nein, wir sind nicht abgesoffen wie Bombay. Hier waren die Regenfaelle nicht schlimm, wohl eher normal.

So, geniesst die Fotos, ihr koennt sie mit einem Klick auch vergroessern. Demnaechst kommen mehr und interessante Berichte aus unserern feucht-warmen Schreibstuben.

Henning

Jawohl, wir haben unsere ersten Affen gesehen! Fliegende Affen! Bei Monsun verkriechen sie sich wohl normalerweise in den Dschungel, aber fuer uns machten sie eine Ausnahme und tollten in den Baeumen herum. Ganz schoen grosse Tiere und maechtig verrueckt!


Das ist Santosh und im Hintergrund meine Filmcrew, mit der ich ein paar Sequenzen drehen musste.

Santosh hat mir meinen ersten Kater in Indien beschert ... Rum mit Pepsi - immer noch billiger als Bier!



Hier seht ihr ein sehr beliebtes Fortbewegungsmittel, das eigentlich staendig da ist, wenn man es braucht. Gefuettert wird es lediglich mit ein paar Cents und galoppiert wird was der kleine Motor hergibt - nur zu empfehlen.


Manipal liegt auf einem Huegel und manchmal kann man einen Blick auf die Umgebung erhaschen, die tiefer liegt.

Die Wolken sehen oft wie auf dem Bild aus und man weiss nie, wann genau sie Kuehe regnen lassen.


Das ist unsere Hauptstrasse in Manipal. Merkwuerdig, dass auf dem Foto keine Autos oder Motorraeder zu sehen sind - aber vielleicht flitzen sie auch einfach nur zu schnell vorbei.

Links im Bild seht ihr einen typischen Super Markt, in dem es wirklich alles gibt. Sogar Nudeln und Tomatensosse - aber noch schmeckt uns das indische Essen hervorragend!

Dienstag, Juli 26, 2005

Tausend Tode

Der Tiger Circel. Der Mittelpunkt des Verkehrs in unserem kleinen Städtchen. Ich habe schon Probleme mich an den Linksverkehr zu gewöhnen, aber hier in Indien herrschen unter den Motorisierten eh andere Gesetze. Zunächst einmal wird der Wagen oder, noch öfter, das Moped gestartet. Nicht selten erscheint dabei eine Art Handy-Klingelton, der schon bald nach dem Anlassen von der Hupe abgelöst wird. Ja, die Hupe scheint das Wichtigste am Wagen zu sein, denn die Reifen sehen bei weitem nicht der Norm entsprechend aus.
Die Hupe findet überall ihren Einsatz: beim Abbiegen, beim Überholen, beim Verscheuchen der lästigen Fußgänger oder ist einfach nur da, um laut zu sein. Die Kühe scheinen übrigens gar nicht erst Versuch zu machen, die Straße zu betreten – Heiligkeit schützt vor den Autos nicht!
Nach unserem dritten Tag wollten wir vier nun endlich zum zweiten Mal ein indisches Vehikel betreten - das erste Mal vom Flughafen zu unserem Campus war schon ein Tanz auf Messers Schneide.

Unser Ziel hieß diesmal Udupi, Heimat des Krishna Tempels und eines segnenden Elefanten. Mit dem Bus fährt jeder. Ihr solltet Euch aber nicht vorstellen, dass es eine Art einheitliche Flotte gibt. Kein Bus ähnelt dem nächsten, höchstens die Fahrweise der Inder ist vergleichbar: Hupen und im Zweifelsfall Gas geben. Wie soll man einen Bus finden, der kein Fahrziel mittels einer Anzeige hat? Ganz einfach, wir folgten dem Geschreie der Busbesatzung, die auch mal vollmundig in die Trillerpfeife pustet, um auf sich Aufmerksam zu machen.
Innen kuckt man durch glaslose Rahmen, wenn nicht gerade mal wieder der Monsun niedergeht und die Sicht von herabhängenden Planen behindert wird. Die Sitze sind, so dachte ich jedenfalls, alle Einzelplätze, auf die wir uns aber mit Mühe und Not zu zweit quetschen konnten.

Wenn die Fahrt los geht, kommt man schnell auf den Trichter, dass es innen ebenso gefährlich sein kann, wie es von außen anmutet – was unser Hüne Robin zwei Mal schmerzhaft an seinem Kopf spüren musste. Schlaglöcher unter jedem Rad, keine Türen in den beiden Eingängen. Stattdessen kuckt die Besatzung raus und ruft dem Fahrer bei Tempo 50 durch den Bus zu, wie viel Platz denn noch auf den Seiten bleibt. Will jemand aussteigen, steht er auf und die Besatzung pfeift oder ruft ein bestimmtes Kommando, ist der Gast unten, kommt noch ein Geräusch und der Fahrer hält wieder drauf, was das Zeug hält.

Natürlich, bezahlt werden muss auch! Eine Fahrt kostet 4 Rs (ca. 8 Cent) und wird von jemandem mit vielen Geldbündeln zwischen den Fingern eingesammelt. Gar nicht einfach, in einem solchen zuckenden Gefährt den Geldbeutel zu zucken!

Ende gut, alles gut. Trotz der vielen Tode, die auf jeden Meter Straße lauern, passten wir uns den schicksalsergebenen Indern an und nahmen es gelassen. Wir kamen schließlich gut an und wieder zurück ... was will man mehr von einer Busfahrt verlangen?

Henning

Hygiene


Der „Kulturschock Indien“, eine unter Einheimischen wohl nicht sonderlich beliebte, weil grob verallgemeinernder Fibel, die über die kleinen und großen kulturellen Unterschiede in Indien aufklärt, zeichnet im Kapitel über Hygiene ein eher zweifelhaftes Bild von der Sauberkeit in Indien: Da werde munter auf die Straße gesch..., Plastiktüten flögen in rauen Mengen umher und würden zum letzten Mahl für die heiligen Kühe, die daran ganz unsalbungsvoll zu Grunde gehen und auch sonst sammle sich überall allerhand Unrat. Dabei mangele es gar nicht am Hygiene-Bewusstsein, sogar Bettler wüschen sich täglich und gründlichst und auch die Kleidung muss immer tip-top gebügelt und schmutzfrei sein. Was fehlt, ist der „common sense“. Frei nach dem Motto: Was kümmerts mich, wenn ringsherum alles im Müll versinkt, solange es in den eigenen vier Wänden schön sauber ist.
Wie siehts nun aber in Wirklichkeit hier aus?

Erstaunlicherweise: sehr sauber. Okay, vom Boden essen kann man nicht (dafür ist es zu schlammig), aber in Manipal und Udupi zusammen liegt weniger Müll herum als am Osterdeich nach einem lauen Sommerabend. Diese Regel wird nur in Ausnahmen, dann aber richtig gebrochen: Vor dem zum Innenhof gerichteten Fenster eines Hotelzimmers ragte ein Berg von Plastikflaschen und Tüten dem Betrachter entgegen. Einer hatte wohl die erste Flasche geworfen, die anderen taten es ihm gleich. Es gibt ihn also doch, den indischen Geheimsinn!
Wirklich genau nehmen es die meisten Inder aber mit ihrer Kleidung: Vorbei ist es mit dem relaxten Grundtempo, wenn der Himmel mal wieder seine Schleusen öffnet. Wer keinen Regenschirm hat, flüchtet sich mit hektischen Bewegungen unter Vordächer oder den Schirm eines Bekannten, penibelst darauf achtend, dass auch ja nichts nass wird.

Woran sich wir Westler allerdings nur schwer gewöhnen können, ist die sehr fremdartig anmutende Art der Intimhygiene. Klopapier ist hier wenn nicht unbekannt, so doch allgemein verpönt. Im Traum nicht, so der „Kulturschock“, würde es dem Inder einfallen, Papier an seinen Allerwertesten zu lassen. Und das ist wirklich keine Verallgemeinerung: Abgesehen von der Flughafentoilette habe ich in Indien noch nirgends Klopapier gesehen. Dass viele Restaurants gar keine Toilette haben, macht die Sache natürlich nicht besser.
Der etwas naive Leser mag sich jetzt fragen: Wie löst der Inder dieses Problem denn dann? Die einfache Antwort: in Handarbeit. Hierzu befindet sich neben jedem Klo ein mit Wasser gefüllter Eimer, an dessen Rand ein Messbecher klemmt. Dieser wird wiederum mit Wasser gefüllt und dient nach getaner Arbeit als Neutralisator für die Finger der linken Hand. Abgesehen von der Überwindung, die diese ja schon den Römern bekannte Form der Altlastentsorgung kostet, hat diese Sitte auch Folgen. Denn gegessen wird zwar mit der Hand, aber niemals mit der linken. Ob es diese Apathie gegen die „Kot-Kralle“ so schlimm ist wie in einigen afrikanischen Ländern, wo Linkshänder keine Könige werden dürfen, habe ich noch nicht herausgefunden, dafür aber ein diesbezügliches Fettnäpfchen nicht ausgelassen. Einem Hotelier, der mir zur Verabschiedung die Pranke entgegenstreckte, gab ich gedankenverloren die linke Hand, da ich in der rechten eine Plastiktüte trug. Sofort wendete der Inder den Kopf, zog seine Hand aus meiner und streckte sie zum Gruß neben seinem Kopf in Richtung meiner Mitreisenden, die er immerhin noch gequält anlächelte. Die Hand wollte er ihnen nach dieser für ihn sicherlich furchtbaren Demütigung jedoch nicht mehr geben.

Robin

Montag, Juli 25, 2005

Eine Reise zum Krishna Temple


Unseren ersten Ausflug planten wir vier nach Udupi, einem Nachbarort, keine 10 Kilometer entfernt. Ziel war der Krishna Temple mit all seinen Pilgern und Heiligkeiten. Die Busfahrt beschreibe ich Euch als naechstes noch genauer, denn es ist ein Abendteuer fuer sich!

Ich habe mich natuerlich auch, wie der Herr auf dem Foto, von der jungen Elefanten-Dame segnen lassen, schliesslich ist Ganesh, der Elefantengott, sehr verehrt in Indien. Dem Dickhaeuter einfach ein bis fuenf Rs ( 1Rs = 2 Cent) in den Ruessel schmeissen und auf den Kopf hauen lassen. Tut nicht weh, ist nur ein merkwuerdiges Gefuehl, von so einem Giganten gestreichelt zu werden.
Im Tempel gibt es allerlei zu bestaunen, wir sahen z.B. eine musikalische Darbietung von singenden Frauen, die mir im Gegensatz zu Kirsten und Robin aber schnell auf den Geist ging. Ein Heiligtum auf dem Gelaende schien auch der Kuhstall zu sein, jedenfalls liess sich jeder davor fotografieren.
Wie Ihr auch sehen koennt, regnet es derzeit in Indien haeufiger und an dem Tag unseres Ausflugs gab es Regenfaelle, die laut einer Dozentin staerker als gewoehnlich waren. Der Monsun ist hier allgegenwaertig, aber auch wenn die drei da oben ziemlich geschuetzt aussehen, braucht man keine Angst haben, nass zu werden - es ist warm und FlipFlops sind bei diesem Wetter tatsaechlich das beste Schuhwerk!
Ein Tipp fuer alle Tempelbesucher am Ende: Schuhe aus! Keine Angst sie werden nicht geklaut, bis jetzt haben wir sie jedenfalls noch an den Fuessen.

Henning

Sonntag, Juli 24, 2005

Angekommen...

Endlich, wir sind in Manipal, Indien, angekommen. Nach einer langen Reise stolperten wir fast in diese fuer uns neue Welt und wurden mit Eindruecken geohrfeigt. Wie Indien riecht, schmeckt, sich anhoert, aussieht und auch wie es sich anfuehlt, werde ich Euch bald schreiben - mit tatkraftiger Unterstuetzung meiner >Leidensgenossen<>
Hier werden bald Fotos zu sehen sein, wir schreiben ueber fuer uns scheinbar alltaegliche Dinge wie das Busfahren oder einfach nur ueber das grandiose Essen (wobei sich grandios auch ganz schnell veraendern kann, wenn es schon scharfe Sossen zum Fruestueck gibt!).
Also: Bleibt dran, es hat sich zwar hier lange nichts getan, jetzt soll es aber endlich losgehen.

Henning