In der Ferne

Ein halbes Jahr in Indien. Hier schreiben wir unsere Erlebnisse nieder. Fuer Euch umsonst, natuerlich.

Dienstag, Juli 26, 2005

Tausend Tode

Der Tiger Circel. Der Mittelpunkt des Verkehrs in unserem kleinen Städtchen. Ich habe schon Probleme mich an den Linksverkehr zu gewöhnen, aber hier in Indien herrschen unter den Motorisierten eh andere Gesetze. Zunächst einmal wird der Wagen oder, noch öfter, das Moped gestartet. Nicht selten erscheint dabei eine Art Handy-Klingelton, der schon bald nach dem Anlassen von der Hupe abgelöst wird. Ja, die Hupe scheint das Wichtigste am Wagen zu sein, denn die Reifen sehen bei weitem nicht der Norm entsprechend aus.
Die Hupe findet überall ihren Einsatz: beim Abbiegen, beim Überholen, beim Verscheuchen der lästigen Fußgänger oder ist einfach nur da, um laut zu sein. Die Kühe scheinen übrigens gar nicht erst Versuch zu machen, die Straße zu betreten – Heiligkeit schützt vor den Autos nicht!
Nach unserem dritten Tag wollten wir vier nun endlich zum zweiten Mal ein indisches Vehikel betreten - das erste Mal vom Flughafen zu unserem Campus war schon ein Tanz auf Messers Schneide.

Unser Ziel hieß diesmal Udupi, Heimat des Krishna Tempels und eines segnenden Elefanten. Mit dem Bus fährt jeder. Ihr solltet Euch aber nicht vorstellen, dass es eine Art einheitliche Flotte gibt. Kein Bus ähnelt dem nächsten, höchstens die Fahrweise der Inder ist vergleichbar: Hupen und im Zweifelsfall Gas geben. Wie soll man einen Bus finden, der kein Fahrziel mittels einer Anzeige hat? Ganz einfach, wir folgten dem Geschreie der Busbesatzung, die auch mal vollmundig in die Trillerpfeife pustet, um auf sich Aufmerksam zu machen.
Innen kuckt man durch glaslose Rahmen, wenn nicht gerade mal wieder der Monsun niedergeht und die Sicht von herabhängenden Planen behindert wird. Die Sitze sind, so dachte ich jedenfalls, alle Einzelplätze, auf die wir uns aber mit Mühe und Not zu zweit quetschen konnten.

Wenn die Fahrt los geht, kommt man schnell auf den Trichter, dass es innen ebenso gefährlich sein kann, wie es von außen anmutet – was unser Hüne Robin zwei Mal schmerzhaft an seinem Kopf spüren musste. Schlaglöcher unter jedem Rad, keine Türen in den beiden Eingängen. Stattdessen kuckt die Besatzung raus und ruft dem Fahrer bei Tempo 50 durch den Bus zu, wie viel Platz denn noch auf den Seiten bleibt. Will jemand aussteigen, steht er auf und die Besatzung pfeift oder ruft ein bestimmtes Kommando, ist der Gast unten, kommt noch ein Geräusch und der Fahrer hält wieder drauf, was das Zeug hält.

Natürlich, bezahlt werden muss auch! Eine Fahrt kostet 4 Rs (ca. 8 Cent) und wird von jemandem mit vielen Geldbündeln zwischen den Fingern eingesammelt. Gar nicht einfach, in einem solchen zuckenden Gefährt den Geldbeutel zu zucken!

Ende gut, alles gut. Trotz der vielen Tode, die auf jeden Meter Straße lauern, passten wir uns den schicksalsergebenen Indern an und nahmen es gelassen. Wir kamen schließlich gut an und wieder zurück ... was will man mehr von einer Busfahrt verlangen?

Henning