In der Ferne

Ein halbes Jahr in Indien. Hier schreiben wir unsere Erlebnisse nieder. Fuer Euch umsonst, natuerlich.

Mittwoch, November 16, 2005

Eine Odyssey nach Udaipur


Nun, damit ich endlich dieses Image vom staendigen Strandgaenger loswerde, das auch noch an dieser prominenten Stelle von meinen "Leidensgefaehrten" kolportiert wird: Ich habe mein geliebtes Meer verlassen und kehre dieses Jahr nicht wieder zurueck!
Ich hatte angekuendigt, dass mich meine Reise (sie dauert uebrigens voraussichtlich noch zwei Monate an) zwei Tage Richtung Norden fuehrt. War das ein Trip... der am Ende ganze drei Tage dauerte. Aber der Reihe nach.

Ich verliess Hampi mit dem Zug in Richtung Aurangabad, einer nicht besonders reizvollen Stadt im Staat Maharashtra, und fand mich bald in einem kleinen Schlafabteil wieder, dass ich mir zu allem Ueberfluss auch noch mit einer muslimischen Kleinfamilie teilen musste. Will heissen: Mann, drei Frauen plus jeweils einem Sproessling. Nach ein Stunde hatten dann beide Seiten dem Schaffner klar und deutlich dargelegt, warum wir diesen Zustand der Enge nicht zehn Stunden beibehalten wollten und der nette Bahnangestellte gab mit einen Platz neben einem Hindu-Priester - keine schlechte Wahl, zumal der Typ ziemlich schweigsam war. Muss wohl zum gleichen Kloster gehoeren, zu dem es Robin gerade hin zieht, auf jeden Fall sagte er keinen Ton.
In Hyderabad durfte ich einen ganzen Tag am Bahnhof um die Ohren schlagen, lernte aber derweil nette Menschen kennen und palaverte so den Morgen und Nachmittag.
Nach durchschnarchter Nacht in einem anderen Schlafabteil landete ich in Aurangabad, im wahrscheinlich teuersten Hotel der Stadt (zehn Euro), aber wer feilscht gerne um ein Uhr morgens mit den durchtriebenen Indern! Ich gab mir am naechsten Morgen nicht fiel Muehe, die Schoenheit einer haesslichen Stadt zu entdecken und enterte den naechstbesten Bus nach Surat im Staat Gujarat. Weil in weiten Teilen dieses Gebiets Prohibition vorherrscht und auch die Zwei-Millionen-Metropole keinen guten Eindruck auf meine verschlafenen Augen machte, verbrachte ich fuenf Stunden mit Rumbummeln, bestieg den naechsten Bus und konnte es kaum erwarten, den Sagen umwobenen Staat Rajasthan zu sehen.
Diesmal hatte ich in weiser Voraussicht eine Schlafpritsche im Bus gebucht, nicht ahnend, dass ich dieses kleine Kabuff mit einem beleibten Punjabi teilen musste. Er schien ein netter Mensch zu sein, aber nur um sicher zu gehen, teilte ich ihm mit, dass ich eine Freundin habe (man weiss ja nie, schliesslich halten hier ausgewachsene Maenner Haendchen!). Als er sich dann mit einem Feuerzeug an einem braunen Klumpen zu schaffen machte, schloss ich ihn in mein Herz. Leider war es nur irgendein Raeucherzeug fuer seine allabendliche puja, ein zeremonielles, indisches Gebet. In der Nacht musste ich mehrmals den imposanten Moustache des Mannes aus meinen Augen pulen, rauchte ein paar biddis mit den Fahrern und schlug um Mitternacht auf Udaipurs Plaster auf.

Nicht umsonst wird Udaipur im Reisefuehrer als romantischste Stadt Indiens gepriesen . Sie liegt umringt von Bergen an einem See mit zwei kleinen Inseln, auf denen alte Palaeste heute Luxustouristen beherbergen. Die Strassen sind eng und verwinkelt, der Verkehr findet trotzdem einen Weg. Alle Erhebungen der Stadt kroent ein Palast mit den fantastischsten Verzierungen. Gleich in meiner Nachbarschaft ist ein aus einem Marmorberg gehauener Tempel und er beruehmte City Palace.
Ich wache jeden morgen mit einem ueberwaeltigenden Panorama vor meinen Fenstern auf und Fruehstuecke auf der Dachterrasse mitten im Zentrum. Abends schlendere ich zum See, bestaune die beleuchteten Palaeste und die allabendlichen Feuerwerke. Die Udaipurianer sind so stolz, dass James Bonds "Octopussy" hier gedreht wurde, dass der Film jeden Abend um dieselbe Zeit in nahezu jedem Restaurant am See gezeigt wird. Die Geschaefte bieten allerlei Kunsthandwerk zu Schleuderpreisen an und der Magen wird mit den leckersten Speisen gefuellt. Bhang-Lassi wird zudem in staatlichen Spelunken verkauft.
Sollte mir die Stadt zu viel werden, leihe ich ein Rad oder heure eine rikshaw an, um zum Monsoon Palace auf dem hohen Berg zu fahren, besuche das Kuenstlerdorf, lausche den Musikern oder relaxe am entfernten Tiger Lake. Gespraeche finde ich als Alleinreisender bei den beiden jungen Bruedern, die mein Hotel managen und immer Interessantes zu erzaehlen haben. Fuer jeden Besucher Udaipurs: "Lehar Paying Guest House" - ein schoenes Hotel mit grosszuegigen Zimmern und warmer Dusche, die man morgens gut gebrauchen kann, denn je mehr ich mich der Wueste naehere, desto kaelter werden die Naechte.

Genug gequatscht, mich erwartet ein Mahl am See...

Henning